„Der taumelnde Kontinent“ – Film und Gespräch

Im gut gefüllten kleinen Saal des Gmundner Stadttheaters wurde am Montag Abend die dreiteilige Dokumentation „Der taumelnde Kontinent“ gezeigt. Im Anschluss lud Franz Schuh den Autor der Buchvorlage Philipp Blom zum Gespräch.

„Heute beginnt der Erste Weltkrieg“, verkündete Franz Schuh – und meinte damit: Heute beginnt nach dem „Fest für Felix Mitterer“ gleich der nächste Schwerpunkt der Salzkammergut Festwochen. „Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen“ heißt die Veranstaltungsreihe, die mit Filmvorführungen, Lesungen und Konzerten das Gedenkjahr 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkriegs reflektieren will.

Den Anfang machte die Vorführung der dreiteiligen Dokumentation „Der taumelnde Kontinent“. Basierend auf Philipp Bloms gleichnamigem Buch, verfilmte der Regisseur Robert Neumüller diese Darstellung der Aufbruchszeit von 1900 bis 1914. Um den Krieg selbst ging es dabei weniger – der Historiker Blom wollte viel mehr zeigen, unter welchen Voraussetzungen diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ ausbrechen konnte. Wie er im anschließenden Gespräch mit Franz Schuh sagte, interessiere ihn vor allem Erlebnisgeschichte – wie fühlten sich die Menschen damals in einer Umgebung, die sich rasant weiterentwickelte und viele Erfindungen sowie gesellschaftliche Neuerungen brachte? Was ging in ihren Köpfen vor? Wie reagierten sie auf die Umwälzungen des neuen Jahrhunderts?

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Wie Philipp Blom betonte, seien die Menschen damals unserer heutigen Gesellschaft gar nicht so unähnlich gewesen. Warum der Krieg ausbrechen konnte, können wir uns aus unserer Perspektive aber kaum beurteilen: „Ich glaube nicht, dass die Menschen damals dümmer waren. Es ist immer leichter, aus der Zukunft zu urteilen als aus der eigenen Gegenwart.“ Auch Franz Schuh schloss sich dem an. Heute sind wir eben um einhundert Jahre Erfahrung reicher – Weltkriege und Völkermorde lagen dazwischen, die Teile der Menschheit zu der Einstellung bewegt haben, es darf keinen Krieg mehr geben.

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Das erklärte Ziel von Philipp Bloms und Robert Neumüllers – die, wie ich erst zu Ende der Vorstellung bemerkte, die ganze Zeit über neben mir in der letzten Reihe gesessen waren – Dokumentation ist es also, uns einen Eindruck zu geben, wie die Menschen damals dachten, und uns damit ein besseres Verständnis für diese Zeit zu geben. Nach einem Filmmarathon von über zwei Stunden kann ich sagen: Das ist ihnen gelungen! Durch eine Mischung aus historischem Material und Aufnahmen aus der Welt des 21. Jahrhunderts wurde eine Brücke geschlagen zwischen zwei Lebenswelten, die uns auf den ersten Blick völlig unterschiedlich erscheinen, jedoch in ihrem Fortschrittsgeist und der Idee der beinahe unbegrenzten Möglichkeiten einander nicht unähnlich sind. Wie die drei Filme zeigten, begannen vor 1914 Entwicklungen, die das gesamte 20. Jahrhundert prägten.

Vielleicht kann man sogar sagen, dass die Dokumentation eine Art von Warnung enthält: Denn, wie Philipp Blom im Gespräch sagte, die Menschen konnten die neu entstandenen Herausforderungen nicht bewältigen, und alle Stränge liefen schließlich zusammen und führten zum Ersten Weltkrieg. Ihm ist wichtig, dass man nicht nur die falschen Entscheidungen der militärischen Führung und der Monarchen, mit denen Europa zu dieser Zeit gerade „Pech hatte“, in die Beantwortung der Frage nach dem Ausbruch des Krieges einbezieht, sondern die gesamten Wechselwirkungen zwischen politischem Geschehen und kulturellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen.

Die Dokumentation endete mit den Schüssen Gavrilo Princips auf Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo. Damit kam der die gesamte Darstellung überspannende Bogen zu einem Ende, und stellte doch gleichzeitig einen Anfang dar: Das Attentat war vielleicht der Auslöser, aber nicht der Grund für den Ausbruch eines Krieges, der den „taumelnden Kontinent“ Europa für immer verändern sollte.

Marlene Fößl

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Zum Abschluss des Literaturschwerpunkts: Felix Mitterer spielt in „Ein Bericht für eine Akademie“

„Hoppla, jetzt komm‘ ich!“

Felix Mitterer singt als Affe Rotpeter

Am letzten Tag des viertägigen Fests kam er tatsächlich noch einmal, der Felix Mitterer – nämlich sogar auf die Bühne! Das Publikum, das den schönen Saal des Gmundner Stadttheaters fast bis auf den letzten Platz besetzte, konnte sich am Sonntag Abend nicht nur von seinen schauspielerischen, sondern auch von seinen Gesangskünsten überzeugen, als er den Affen Rotpeter in seiner Bearbeitung von Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ spielte.

2014 - Schriftsteller und Schauspieler Felix Mitterer als Affe in seinem eigenen Bühnenstück - Ein Bericht für eine Akademie - im Rahmen der Salzkammergut Festwochen 2014 im Stadttheater in Gmunden - Schauspieler Felix Mitterer mit Juliana und Siggi Ha

Juliana und Siggi Haider, in der Mitte Felix Mitterer

Auf seinem Käfig herumturnend, erzählte der an der Goldküste gefangene Schimpanse dem Publikum, wie er eben diesem entkommen ist: Da ihm eine Flucht unmöglich erschien, lernte er durch genaues Zusehen, sich wie ein Mensch zu benehmen und machte Karriere im Variéte´-Theater. So spielten zwischen seinen Monologen immer wieder Juliana und Siggi Haider, zwei Musiker, mit denen Felix Mitterer schon oft zusammengearbeitet hat, Schlager aus der großen Zeit des Variétés und der Affe Rotpeter sang dazu: „Ein Freund, ein guter Freund“, oder „Bei mir bist du schen“ – passend zum gerade Erzählten.

Jedoch kam seine Freiheit um einen schrecklichen Preis: Anpassung und Selbstverleugnung. „So beschloss ich aufzuhören, Affe zu sein.“ Indem er sich jede noch so grauenhafte menschliche Gewohnheit, wie zum Beispiel das Schnaps Trinken oder Pfeife Rauchen, antrainierte, konnte er auch dem zoologischen Garten entkommen. Jedoch war deutlich zu sehen, dass er ein leidendes, eingeengtes und zerrissenes Wesen war: Die meisten „affischen“ Gewohnheiten hatte er abgelegt, aber ganz wie ein Mensch verhielt er sich trotzdem noch nicht – damit war er weder ein wildes Tier, noch nahmen ihn die Menschen in ihre Gesellschaft auf.

Felix Mitterer spielte in diesem Stück, das den Ö1-Hörspiel-Publikumspreis 2014 gewann, einen Charakter voll bösem, verbittertem Sarkasmus. Meine Eindrücke von diesem Abend wechselten zwischen Verstörung und Mitgefühl für die einzige Figur dieses Dramas. Juliana und Siggi Haiders Musik trug zusätzlich zur wehmütigen Stimmung bei – selbst die Fröhlichkeit der heiteren Lieder wirkte gekünstelt und erzwungen.

Über allem stand jedoch Herrn Mitterers herausragende Leistung. So, wie ich ihn bisher kannte – mit seiner ruhigen, gelassenen Art – war ich beeindruckt zu sehen, wie überzeugend er eine gequälte Seele spielen konnte und auch, wie laut seine Stimme werden konnte. Seine Darbietung an diesem Abend, aber auch seine Werke, von denen wir in den letzten vier Tagen ja viele bewundern konnten, wurden vom Publikum nach Ende der Aufführung mit einem Beifallssturm, „Bravo“-Rufen und schließlich sogar Standing Ovations gewürdigt.

Ich kann mich dem nur anschließen. In den letzten paar Tagen habe ich im Zuge meiner spannenden Tätigkeit als Jugendredakteurin nicht nur die Ehre gehabt, mich mit dem vielseitigen Werk dieses großartigen Schriftstellers auseinanderzusetzen, gemeinsam mit meiner Kollegin Sabrina durften wir sogar persönlich mit ihm sprechen und ihn interviewen. Auch für Fotos für unsere Berichte stand er gerne zur Verfügung – trotz seines Erfolgs ist er ein bodenständiger Mensch geblieben!

Das „Fest für Felix Mitterer“ ist zwar jetzt zu einem würdigen Abschluss gekommen, aber meine Tätigkeit ist noch nicht ganz beendet. Heute Abend darf ich noch die Filmvorführung und das anschließende Gespräch zu „Der taumelnde Kontinent“ besuchen, eine Veranstaltung im Rahmen des Themenschwerpunkts „Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen – 100 Jahre Erster Weltkrieg“. Auf diesen Abend bin ich als Geschichte-Studentin natürlich schon besonders gespannt!

 

Marlene Fößl

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„Ein Fest ist nichts anderes als ein Akt des Respekts dem Autor gegenüber.“

Im Gespräch mit Erwin Steinhauer

Zuerst sitzt er gemeinsam mit Felix Mitterer auf der Bühne und begeistert das Publikum mit einer unglaublich amüsanten Lesung von „Obelix und’s groasse Gschäft“, einem von Herrn Mitterer in Mundart übersetzten Asterix-Band; kurz nach Beendigung der Vorstellung ist er auch schon bei einem Kaffee im belebten Foyer zu finden und steht bereitwillig für Fotos und ein Interview mit uns Jugendredakteurinnen zur Verfügung. Die Rede ist von dem Kabarettisten und Schauspieler Erwin Steinhauer!

Draußen im Foyer ist es einfach zu laut, also verlegen wir das Interview in unser enges kleines Büro – aber Herr Steinhauer hat nichts dagegen, macht es sich am angeräumten Schreibtisch bequem und nippt an einem Glas Weißwein, das ihm unsere Intendantin Jutta Skokan höchstpersönlich vorbeibringt.

Felix Mitterer kennt er schon eine ganze Weile, hat er doch schon in den neunziger Jahren seine Version des Jedermanns als Regisseur inszeniert und dann auch die Hauptrolle in seinem Stück „In der Löwengrube“ gespielt. Wie sich die beiden kennengelernt haben, weiß er aber gar nicht mehr so genau: „Irgendwie ist das durch Zufall gegangen.“

Nach der Veröffentlichung von „Obelix und’s groasse Gschäft“ 1999 lasen die beiden den Comic das erste Mal gemeinsam in Innsbruck – wie heute bei den Festwochen mit verteilen Rollen: Felix Mitterer als Römer mit Wiener Dialekt, Erwin Steinhauer als Gallier in Tiroler Mundart. Und das, obwohl er ein Wiener ist! Jedoch erklärte er schon im Gespräch mit Moderator Hannes Schweiger nach der Lesung: „Das mit den Dialekten ist Handwerk.“ Außerdem zeigte er sich als deutlicher Befürworter der Mundartsprache. Sein Argument: Hochdeutsch hören wir jeden Tag fast rund um die Uhr im Fernsehen und den Medien – vor allem Jugendliche würden dann auch so reden und dadurch ihre Identität als Wiener, Oberösterreicher, Tiroler verlieren. Lautstark forderte er daher die Bewahrung der verschiedenen österreichischen Dialekte, und erntete dafür vom Publikum zustimmenden Applaus.

Auf meine Nachfrage hin, wie er sich denn die verschiedenen Akzente antrainiert, zwischen denen er so nahtlos wechseln kann (so gab er zum Beispiel spontan seine Version von Mario Adorfs Bundesdeutsch zum Besten), erklärt er mir, Musikalität sei der Schlüssel dazu. Also: Zuhören und Üben. „Sprache ist Melodie. Jeder Dialekt hat eine eigene Melodie“, ist er überzeugt und macht mir gleich ein paar verschiedene vor.

Sein Talent dafür liegt also womöglich daran, dass er in seiner Freizeit gerne Musik hört und auch selbst welche macht: Sein Instrument ist die Gitarre. Außerdem verrät er mir, dass er auch gerne seinen Garten pflegt, wenn er gerade nicht arbeitet. Dazu gehört auch, mit seinen Blumen zu reden – vor allem, sich bei ihnen zu entschuldigen, wenn er sie wieder einmal zu lange nicht gegossen hat.

Aber zurück zu seiner Arbeit: Wie kann man einen Comic auf die Bühne bringen, möchte ich von ihm wissen. Jedoch erklärt er mir, dass er damit schon längere Erfahrung hat: Nicht nur den Asterix-Band hat er gemeinsam mit Felix Mitterer schon einmal zum Besten gegeben, auch wenn das schon eine Weile her ist – „Und jetzt, nach 15 Jahren, ist er auf die Idee gekommen, dass ma des noch amal machn!“ Auch MOFF., das „feine Schundheftl“ des oberösterreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer, hat er schon einmal auf der Bühne gespielt. Durch seine langjährige Erfahrung ist er auch kaum noch nervös vor Auftritten, zumindest verrät er mir davon nichts. Sein einziges Ritual, bevor er die Bühne betritt, beschreibt er so: „I schau auf die Uhr und dann denk i ma: Hoffentlich wird’s net zu lang!“

Dabei war sein Weg zum Schauspieler und Kabarettisten nicht immer so klar – außer für ihn natürlich. Auf Wunsch seines Vaters, der ihm die Unterschrift für die Bewerbung zum Schauspielstudium verweigerte, studierte er Germanistik und Geschichte, machte seinen Abschluss und stand dann als Praktikant sogar schon in der Schulklasse. Dann gründete er allerdings mit einem Freund eine Kabarettgruppe, eine Wendung, die er nie bereut hat: „I kann ma nix anderes vorstellen.“

Schon in der Gesprächsrunde nach der Lesung erzählte er dem Publikum, wie gern er von Anfang an die Asterix-Comics gelesen hat. Die politisch hintergründigen und frechen Texte haben ihn begeistert. Besonders überzeugend schien er für mich bei der Lesung als Hund Idefix – trotzdem frage ich ihn nach seiner Lieblingsfigur. Obelix natürlich! Aber auch der Druide Miraculix begeistert ihn, vor allem sein Zaubertrank. So etwas hätte er auch gern, verrät er: „Ma trinkt a Glas Wein und sagt: Nach diesem Achtel reiß i da Welt an Haxen aus!“

So gemütlich Herr Steinhauer jetzt auch noch mit mir plaudert, ist er doch morgen am Vormittag schon wieder in Wien, um mit seiner Band zu proben. Im Oktober ist Premiere in den Kammerspielen, erzählt er mir, und zwar von „Hand aufs Herz“, bei dem es um eine Vier-Mann-Kapelle auf dem Kreuzfahrtschiff „SM Alcatraz“ geht.

Zum Abschluss unseres Interviews muss ich ihn jedoch noch etwas Wichtiges fragen: Warum hat Felix Mitterer ein Fest verdient? Seine schöne Antwort darauf: „Wir müssen den lebenden Autoren das Gefühl geben, dass wir sie brauchen, dass wir sie lieben und dass wir sie schätzen. Und ein Fest ist nichts anderes als ein Akt des Respekts dem lebenden Autor gegenüber.“

 Marlene Fößl

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Ein Fest für Felix Mitterer – Tag 3

„Man verzagt, es ist so eine schreckliche Geschichte.“

Felix Mitterer über „Verkaufte Heimat“

„Eine menschliche Tragödie.“

Robert Dornhelm über „Requiem für Dominik“

 

Am Samstag, dem dritten Tag des diesjährigen Literaturschwerpunkts, bekam ich einen guten Eindruck von der Vielseitigkeit Felix Mitterers. Das Programm war dicht: Gleich nach dem Film „Verkaufte Heimat“, zu dem Herr Mitterer das Drehbuch schrieb, wurde „Requiem für Dominik“ gezeigt, bei dem er nicht nur am Skript beteiligt war, sondern auch die Hauptrolle spielte. Von meinem Platz in der Presseloge des alten Saals des Gmundner Stadttheaters aus verfolgte ich zwei berührende und aufwühlende Geschichten, die so oder so ähnlich tatsächlich stattgefunden haben.

 

„Verkaufte Heimat“ handelt von deutschsprachigen Südtiroler Bauern, die während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Böhmen vom deutschen Reich einen Hof übertragen bekommen. In ihrer alten Heimat werden währenddessen italienischsprachige Bauern angesiedelt. Die Absurdität dieser Siedlungspolitik wird vor allem dadurch offensichtlich, dass beide Familien in ihrer jeweils neuen Heimat mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Auch wenn die im Film vorkommenden Charaktere keine historischen Personen sind, wurde mir doch sehr gut begreiflich, wie es Menschen ergangen sein musste, die im historischen Geschehen „mitgeschwemmt“ und zum Spielball von politischen Strömungen gemacht wurden.

Auch im Büro der Festwochen wurde nach der Filmvorführung lebhaft diskutiert. Wir alle waren uns einig: Der Drehbuchautor Felix Mitterer und die Regisseurin Karin Brandauer hatten es geschafft, die menschliche Seite in trockene, abstrakte historische Fakten einzubringen und die Auswirkungen der Geschehnisse auf die Familien wirklich begreifbar zu machen.

Jedoch musste ich mich von unserer spannenden Diskussion losreißen, denn im Saal ging es bereits weiter. Im Gespräch, das nach der Vorführung stattfand, sprach der Historiker, Verleger und Experte für die Geschichte Nord- und Südtirols Michael Forcher dem Drehbuchautor großes Lob aus – „der Autor zittert immer vor dem Historiker“, meinte Herr Mitterer, aber es schien diesmal zu Unrecht gewesen zu sein, denn durch seine genauen Recherchen, unter anderem Gespräche mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, sei der Film sehr realistisch geworden, erklärte Herr Forcher. Hat möglicherweise der Film dazu beigetragen, dass heute, im Gegensatz zu seiner Entstehungszeit 1989, die Geschehnisse unparteiischer dargestellt werden? Auf diese Frage antwortete Herr Mitterer: „Wir versuchen immer ein bisschen mitzuwirken, dass es besser wird.“ Allerdings, so erzählte Herr Forcher, gebe es noch immer kein wirkliches Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen italienisch- und deutschsprachigen Südtirolern.

 

Auch die Aufarbeitung der Thematik des Films, der im Anschluss gezeigt wurde, ist noch immer schwierig. „Requiem für Dominik“, in dem es um Dominik Paraschiv, den angeblichen „Schlächter von Temesvar“ geht, wurde erst vor sechs Wochen das erste Mal in Rumänien gezeigt. Das sind 25 Jahre nach der Entstehung des Films – aber auch 25 Jahre nach der blutigen Rumänischen Revolution, während der er spielt.

Die Mischung aus Doku- und Spielszenen und die teils improvisierte Handlung versetzte mich als Zuschauerin in diese chaotische Zeit. In diesen Wirren wurde der Familienvater und Jugendfreund des Regisseurs Robert Dornhelm, der damit eine autobiographische Geschichte aufarbeitete, von den Medien zu einem Massenmörder inszeniert, der 80 Menschen erschossen haben soll. Wie schon bei „Verkaufte Heimat“ war es schockierend und bewegend zu sehen, welche Auswirkungen das historische und politische Geschehen auf Menschen und Familien hatte. Auch die Rolle der Medien sollte ein Thema des Films sein, erklärte Herr Dornhelm im anschließenden Gespräch, wie sie Verwirrung erzeugen und manipulieren können.

Jedoch berichteten die Herren Mitterer, Dornhelm und Produzent Norbert Blecha nicht nur von ihren erschütternden Erfahrungen während der Recherche, sondern erzählten auch etwas lockerer und anekdotenreich von den abenteuerlichen Drehbedingungen. Als sie in Rumänien waren, waren die Straßen immer noch in großer Aufregung, berichteten sie – da konnte es auch schon einmal vorkommen, dass man rund 10 000 Statisten „umsonst“ bekam, wenn man gerade bei einer Demonstration anwesend war, oder dass der berühmteste Taschendieb von Temesvar plötzlich eine Rolle bekam, nachdem er Felix Mitterer zuerst auf einem Gemüsemarkt die Notizen aus der Hosentasche gestohlen hatte. Aufgrund der Situation und der Tatsache, dass Dominiks Geschichte zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, wurde am Drehbuch Stück für Stück geschrieben, viele der Szenen waren improvisiert. Hauptdarsteller Felix Mitterer erinnert sich: „Ich bin halt da durch das Bild gewankt und wusste nicht, wie mir geschieht.“

 

Zwei berührende Schicksale wurden an diesem dritten Tag des Literaturschwerpunkts gezeigt – und zweimal ist es Felix Mitterer und seinen Kollegen und Kolleginnen gelungen, ein historisches Thema so aufzuarbeiten, dass man ein Gefühl für die Situation entwickeln konnte, in der sich die Menschen befanden.

Besonders faszinierend an diesem Tag fand ich die Gespräche nach den Vorführungen. Sie boten einmalige Gelegenheiten, etwas über die Entstehung der Filme zu erfahren und wie Drehbuchautoren, Regisseure und Produzenten arbeiten. Außerdem wurden viele Hintergründe der Geschichten erläutert, was für mich noch sehr gut zum Verständnis beitrug. Obwohl beide Thematiken nicht unbedingt „leichte Kost“ waren, waren sie doch ungemein spannend und bewegend.

 

Marlene Fößl

 

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Herbert Meusburger – ein gescheiterter Landwirt und Außenseiter

Felix Mitterer lud auch seinen Künstlerfreund Herbert Meusburger zu den Festwochen ein, mit dem er seit 25 Jahren eine intensive Freundschaft pflegt. Kennengelernt haben sie sich bei einem Theaterstück in Feuerburg, bei dem Felix der Gast war. Schnell entwickelte sich eine enge Freundschaft.

Nach der Frage, ob Künstler sein Traumberuf als Kind war, antwortete der kreative Geist ganz klar mit nein.

„Ich wollte Landwirt werden, ich hatte nur die Grundvoraussetzungen nicht. Ich hätte eine Frau heiraten müssen, die einen Hof besitzt. Und da wär ich nicht der Landwirt, sondern der Knecht gewesen“

Holzschnitzer war sein zweiter Berufswunsch, den er auch weiter verfolgte. Später wechselte er zum Material Stein. Der Grund, einen unsicheren Berufsweg einzuschlagen, begründete Meusburger mit einem Wort – Freiheit. „Ein Job als Industriearbeiter würde mich schwer depressiv machen, und wahrscheinlich würde ich das nicht überleben.“ Doch der bildende Künstler glaubte an sich.

„Ich musste mir alles hart erarbeiten. Die ersten Jahre habe ich überhaupt nichts verkauft. Ich hatte das Glück eine tüchtige Frau zu haben, die unsere Familie erhalten hat“

Stolz berichtete mir der Freigeist von seiner Frau, deren Liebe zu ihr im Interview deutlich spürbar wurde. Mit einem Strahlen in den Augen und keineswegs verlegen, gibt er zu, dass er anfangs mehr eine Last für die Familie war. Doch seine große Liebe glaubte an Herbert Meusburger und unterstütze ihn in seinem Tun und Schaffen. „Damals war sie die einzige Person, die an mich geglaubt hat. Erst später glaubten viele an mich.“ Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus. „Jetzt kann ich sagen, dass ich ganz normal gut verdiene“, erzählte mir der bodenständige Bildhauer.

„Wenn das Wetter schön ist und sie ein Konzert mit DJ Ötzi veranstalten, dann werden 2000 Menschen da sein. Aber inhaltlich ist es null.“ Meusburger warnt vor dem Verkommen der Gesellschaft zu einem sogenannten „Unterhaltungsgesindel“.

„Künstler sind heutzutage nicht mehr kritisch genug, sie verkommen zu Dekorateuren“

Er fordert auf kritisch zu denken, Dinge nicht einfach hinzunehmen und will die Menschen ermutigen, ihre eigene Meinung auszudrücken. „Die Mehrheit hat nie Recht bekommen in der Geschichte“, fährt Meusburger fort. „Es hat immer lange gedauert, bis die Minderheit gehört wurde und Recht bekam.“ Er gibt auch offen zu, dass er nur eine Minderheit mit seiner Kunst bedient, doch das reicht ihm. Er will sich von der Masse abgrenzen. Doch ein Außenseiter war er nie.

„Bis man 30 ist, darf man deppad sein“,

rechtfertigt der gelernte Holzschnitzer seine frühere Verschlossenheit vor der Kultur. „Bei mir hat eine Metamorphose stattgefunden – bis ich dreißig war, bin ich nie ins Theater gegangen.“ Ein Außenseiter war er nur, weil er keine klassischen Objekte schuf und von gesellschaftspolitischen Problemen inspiriert wurde.

„Ein Außenseiter war ich nur, weil ich keine Madonna schnitzte oder einen Sepp mit einer Backpfeife in der Goschn“

Der 1953 Geborene ist für seine mehrteiligen Skulpturen bekannt. „Es geht immer ums Trennen und Verbinden – für mich ist das Zeugung, Trennung und Geburt“ – so beschreibt der Opportunist sein Handwerk. Doch Meusburger hat viele Talente und präsentierte seinen Bildband „Verwischt und Vertuscht“, indem er sein Debüt als Maler gibt.

„Ich bin stolz darauf, mir alles alleine erarbeitet zu haben“,

sagt der kreative Kopf zum Schluss des Interviews und macht neugierig. „Ich plane eine Skulptur und versuche die drei Weltreligionen Islam, Christentum und Judentum zu vereinen, denn ich möchte ein Zeichen setzen.“

 

Sabrina Fleisch

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Pepi Pittl – Paragleitpionier, Hobbyschauspieler und Fahrlehrer

Am 25. Juli trat Josef „Pepi“ Pittl im Gmundner Stadttheater als „Bombenhirn“ Franz Fuchs auf. Zwei Stunden lang führte er textsicher einen Monolog. Stets wechselnd zwischen Genie und Wahnsinn überzeugte er und hinterließ ein ergriffenes Publikum.

Felix Mitterer hatte seinen langjährigen Freund und Schauspielkollegen eingeladen, um sein Stück „Der Patriot“ vorzuspielen. Der Schauspieler hat die Rolle intus, obwohl er im Interview verriet, dass er den Text des Ein-Personen-Stücks seit einem Jahr nicht mehr geübt hat.

„Sobald ich auf der Bühne bin, spiele ich Franz Fuchs. Wenn ich runtergehe, weiß ich kein einziges Wort mehr“

Wie der leidenschaftliche Sportler zu der Hauptrolle in der Patriot kam? „Ich habe mir das Stück in Wien angesehen und gedacht – das kann ich besser.“

„Franz Fuchs war unglaublich gescheit, doch bei sozialen Dingen hat er ausgelassen“, versucht der Mann mit der rauen Stimme seinen Charakter zu beschreiben. „Ich habe auch nur eine kurze Wein-Sequenz.“

„Es gab mehrere Szenen, wo ich weinen könnte. Doch es könnte passieren, dass die Leute mit ihm Mitleid haben – das wollte ich nicht“,

erzählt der Schauspieler mit Nachdruck. Gelernt hat der 69-jährige Automechaniker und nebenbei, sogar heute noch, ist er als Fahrlehrer tätig. „Ich bin sehr streng, doch bei der Fahrprüfung bin ich der Sanfteste, da ich verstehen kann, wie nervös man dabei ist.“ Durch seinen erlernten Beruf kam der heutige Pensionist viel herum, er verkaufte Autos in Jordanien, Bagdad, Saudi Arabien und in der Türkei. Dadurch lernte er Arabisch, auch heute kann er in dieser Sprache noch Verhandlungen führen.

„Hin und wieder spiele ich noch Theater, aber nur, dass die Leute nicht vergessen, dass ich es kann“,

rechtfertigt Pittl seine seltenen Auftritte trotz Pensionierung. Seit drei Jahren ist er mit einer Frau verheiratet, die halb so alt ist wie er, jedoch kennen sie sich schon 16 Jahre lang.

„Ich habe sie 3 Mal weggeschickt und gesagt, sie soll sich einen Jüngeren suchen“

Das Liebesglück war ihnen am Ende doch noch vergönnt. Zum bald anstehenden dritten Jahrestag wird der Zielstrebige sie zu einer Kreuzfahrt einladen. Sein Familienleben ist harmonisch: „Meine jetzige Frau ist mit meiner Ex-Frau befreundet, wir treffen uns heute alle noch.“ Der Paragleitpionier, Schwimmer, Tennisspieler und Skifahrer redet offen über seine schlechteste Eigenschaft – „Ich bin zu aufbrausend … sagt zumindest meine Frau.“

Am Schluss des Interviews erklärt Josef Pittl, warum sein Freund Felix Mitterer ein Fest verdient hat:

„Felix ist für diese Welt zu gut, zu gutgläubig“

Sabrina Fleisch

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Ein Fest für Felix Mitterer – Tag 2

Fences that fail and fall to the ground

Bearing the fruit from Jara’s hands

 Calexico: „Víctor Jara’s Hands“

 Der zweite Tag des Literaturschwerpunkts und mein erster Tag als Jugendredakteurin bei den Festwochen startete aufregend! Gemeinsam mit meiner Kollegin Sabrina bereiteten wir uns auf das Interview mit dem „Hauptdarsteller“ dieser vier Tage vor, Felix Mitterer höchstpersönlich. Auf der sonnigen Terrasse des Wiener Cafés, mit Blick auf den Traunsee, fand es dann auch statt – den Bericht dazu könnt ihr bald hier am Blog lesen.

Gleich darauf ging es auch schon zur nächsten Veranstaltung, der Autorenlesung aus der Textreihe „Kreuzweg Hochberg“. Die schlichten Steinskulpturen, die der Bildhauer Herbert Meusburger für diesen Kreuzweg geschaffen hat, wurden in Fotografien rundherum im schönen Saal des Gmundner Stadttheaters gezeigt. Die dazu von ihm verfassten Texte trug Felix Mitterer selbst vor. Zwischen den berührenden, bewegenden und auch schockierenden Erzählungen über wahre Schicksale von Menschen spielten Juliana und Siggi Haider mit Saxophon und Akkordeon.

Auch wie die Gestaltung der Skulpturen handelten die Geschichten von Rudolf Gomperz oder Víctor Jara von Gräben, die durch die Menschheit laufen oder auch von Dingen, die uns verbinden. Mit Themen wie dem Nordirland-Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten oder dem Massaker von Srebrenica an bosnischen Muslimen wies Felix Mitterer darauf hin, wie Menschen anhand von religiösen Gegensätzen gespalten werden können, wie bestimmte Personen ausgegrenzt werden – er zeigte jedoch auch, dass über zutiefst menschliche und in vielen Konfessionen vermittelten Werte wie Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Vergebung Religion die Menschen genauso verbinden kann. Die Erzählungen ergänzten damit wunderbar die Skulpturen von Herbert Meusburger, die sowohl den religiösen Aspekt als auch das Thema von Einheit und Trennung durch zusammengesetzte oder gespaltene Steinblöcke umsetzen.

Nach dieser emotional doch sehr mitnehmenden Veranstaltung war für mich erst einmal Pause. Der Festspielbetrieb lief natürlich weiter, meine Kollegin Sabrina besuchte die Aufführung des Theaterstücks „Der Patriot“ mit Pepi Pittl. Morgen darf sie ihn interviewen – ein Beitrag dazu wird sicher folgen!

Obwohl ich schon das zweite Mal bei den Festwochen als Jugendredakteurin dabei bin, ist meine Tätigkeit noch genauso spannend wie letztes Jahr! In den nächsten zwei Tagen warten auf Sabrina und mich noch eine ganze Menge an Veranstaltungen, außerdem Interviews mit den Künstlern, auf die wir schon besonders gespannt sind, und eine ganze Menge an neuen und anregenden Eindrücken. Wir freuen uns darauf!

 

Marlene Fößl

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Friedrich Achleitner im Interview

Am Samstag, den 10. August, durften wir, Sofie Kronberger und Johanna Glechner, Friedrich Achleitner interviewen. Der 1930 Geborene war Mitglied der Wiener Gruppe und außerdem Architekt, später dann Architekturkritiker und Hochschullehrer.
Trotz, oder wegen unserem Respekt vor dieser Persönlichkeit, die Teil der österreichischen Literaturgeschichte ist, stellten wir fest, dass Friedrich Achleitner ein netter, überaus normaler und großväterlicher Herr ist, der unsere Fragen sehr gerne und ausführlich beantwortet hat.

Er erzählte uns von
• der ersten Begegnung mit Gerhard Rühm:
Bei einem Fest in der Villa der Eltern von Arnulf Rainer im Frühjahr 1955, bei der er „alle auf einmal“ kennenlernte; Kubelka, Rühm, Wiener, Artmann und Bayer.

• dem ersten Kontakt mit Rühms Werken:
Ein Freund legte ihm das Alphaheft mit Dialektgedichten von Rühm auf den Tisch mit den Worten „schau, das musst du dir anschauen!“
Achleitner hatte sich vorher schon mit Dialektdichtern auseinandergesetzt. Der Wiener Dialekt hatte jedoch eine ganz andere Tradition und Struktur, er war nicht so einfach wie der innviertler Dialekt.

• der Rolle Gerhard Rühms in der Wiener Gruppe:
Die Gruppe war ein Freundeskreis, keiner von ihnen kannte sich in der Literaturgeschichte aus. Sie führten Diskussionen und das führte zu Gemeinschaftsarbeiten.
Rühm hat Musik studiert, Achleitner selber erfuhr im Architekturstudium nichts über Moderne, das musste selber erarbeitet werden. Die jungen Leute beschäftigten sich mit allem.

• Anerkennung:
Davon „war ja überhaupt keine Rede, wir sind ja ignoriert worden, zum Teil als Spinner erklärt worden!“

• Die Änderung kam zur Kreiskyzeit, da waren aber alle anderen schon emigriert.

• der Entwicklung der Freundschaft und des gemeinsamen Arbeitens:
„wir sind ja dauernd beisammen gesessen und haben diskutiert und geblödelt“
Das war eine produktive Zeit, man hat ungemein viel erfahren und von den Älteren gelernt.

• wie Gerhard Rühm sein Schreiben beeinflusst hat:
Der Hintergrund, die Herkunft waren eine ganz andere. Rühm war ein ausgebildeter Pianist, Musiker waren auf theoretischer Ebene sehr gut ausgebildet (im Gegensatz zu Architekten). Dieses Wissen ist im Hintergrund von allen seinen Werken. Achleitner lernte, diese Struktur auch auf Dialektgedichte anzuwenden. Im (innviertler) Dialekt gibt es ja keine vollständigen Sätze und vor allem werden nur konkrete Dinge angesprochen. Sein kürzeste Liebesgedicht: „Marie, do wari!“

• Rühm als Chronologen der Wiener Gruppe:
Er hat immer alles aufgehoben und später herausgegeben. Rühm wohnte als einziger noch zu Hause und hatte also mehr Möglichkeiten, es war sein Interesse, alles zu studieren und zu sammeln.

• dem Bewusstsein der Gruppe in der Öffentlichkeit, hätte es Rühm nicht gegeben:
„Seine Publikationen wie der erste Band Wiener Gruppe waren die ersten, die rezipiert und gelesen wurden, das ist eine wahnsinnig wichtige Quelle für die Forschung.“

• dem Doppelleben als Architekt und Schriftsteller:
Man konnte vom Schreiben nicht leben, Achleitner musste sich selber ernähren, 1958 wollte er das Bauen aufgeben, weil er „zu weich“ war. In der Abendzeitung verfasste er erstmals Architekturkritiken, später 10 Jahre lang bei der Presse. Dann unterrichtete er Architekturtheorie
und -geschichte, „lauter Sachen, die ich überhaupt nicht gelernt habe“.

• Lieblingsstücken von Gerhard Rühm:
Dialekt- und Lautgedichten, aber „es gibt irrsinnig viel Werke […] die frühen Arbeiten waren alle für uns sehr wichtig“

• den Antrieb für Rühm, ein 10.000-seitiges Werk zu erschaffen:
Er arbeitet permanent und ist vielschichtig interessiert; „wenn ihn das Eine einen Moment lang nicht mehr interessiert, interessiert ihn das Andere“ Dadurch war er für seine Freunde so anregend.

Johanna Glechner

foto by sarah hutterer

foto by sarah hutterer

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Die Weitergabe des Feuers: „Kinder Tibets – Kann man glücklich Sein lernen?“ – Dokumentarfilm von Carola Mair

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“ – mit diesem Zitat und dem Ton von tibetischen Klangschalen wurden die Premierengäste zur Erstvorführung von Carola Mairs Dokumentation „Kinder Tibets“ eingestimmt. Darin zeigt die aus Attnang-Puchheim stammende Filmemacherin das Leben, den Alltag und den Kampf junger Exil-Tibeter um die Bewahrung ihrer kulturellen und religiösen Identität fern der Heimat.

Seit der Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China wird das Land politisch und sozial von Peking kontrolliert. Die chinesische Politik führt vor allem massive Eingriffe in die Religion der Tibeter durch und unterdrückt die tibetische Kultur und Sprache. Durch gezielte Ansiedelung von Chinesen sind die Tibeter zu einer Minderheit in ihrer eigenen Heimat geworden. Angesichts dieser Unterdrückung und Freiheitsberaubung wagen viele die Flucht ins Ausland, vor allem nach Indien.

Der Konflikt um Tibet war mir, bevor ich den Film gesehen hatte, durchaus bekannt; auch, dass viele Tibeter die Flucht aus ihrer Heimat ergreifen, um der Unterdrückung zu entkommen. Allerdings hatte ich nie daran gedacht, dass darunter auch junge Menschen und sogar Kinder sein könnten. Ihre Flucht über den Himalaya in die in Nordindien gegründeten tibetischen Siedlungen ist nicht nur gefährlich, sondern trennt sie auch oft von ihren Eltern und Familien. Zwar kümmern sich Pflegemütter um sie und sie können, im Gegensatz zu Schulen in ihrem Heimatland, in ihrer Muttersprache Tibetisch unterrichtet werden, jedoch haben viele von ihnen ihre Eltern schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Tausende Kinder werden in der Tradition eines Landes erzogen, an das sie sich manchmal gar nicht erinnern können.

Es war für mich sehr berührend, die Verbindung der politischen Situation mit persönlichen Schicksalen zu sehen. Dadurch bekamen die mir bekannten „trockenen“ Fakten eine viel weitreichendere, menschliche  Dimension. Interessant war es auch zu sehen, dass viele der für die Dokumentation interviewten Exil-Tibeter weniger auf politische, sondern in erster Linie auf kulturelle Autonomie für ihr Volk hoffen. Ich war tief beeindruckt vom Optimismus und positiven Geist vor allem der jungen Menschen, teilweise meines Alters, die wegen Chinas Politik fern von ihrer Heimat und Familie aufwachsen müssen, um ihre Identität und Kultur bewahren zu können. Paradoxerweise ist das nämlich die beste Art, das zu tun. Ich zumindest hätte aber auch ein gewisses Verständnis, wenn sie von Hass erfüllt wären und auf aktivistische Art und Weise für die Erhaltung ihrer Kultur kämpfen würden. Tatsächlich waren aber einige von ihnen der Meinung, das gelänge am Besten durch die Weitergabe dieser an die jüngere Generation, und nicht durch drastische Aktionen wie Selbstverbrennungen, die auch in den internationalen Medien für Aufsehen sorgen. Sie orientieren sich an ihrem religiösen Führer, dem Dalai Lama, und seiner Einstellung von Bescheidenheit und Nächstenliebe, was ihnen hilft, die Situation zu ertragen.

Aber der Film warf auch universellere Themen auf. Im Hintergrund zu diesem Konflikt ging es auch um die Wünsche und Zukunftsaussichten von jungen Menschen in einer sehr speziellen Situation, die aber trotzdem genauso träumen wie Jugendliche bei uns. Der Film drehte sich auch darum, was es heißt, sein Glück zu finden. Zu sehen, wie Menschen, die viel weniger – nicht einmal ihre Heimat – haben und in viel schwierigeren Situationen sind, bescheidener sind als so manche Leute in unserer Gesellschaft, regte auf jeden Fall zum Nachdenken an. Sehr inspirierend waren auch die Interviews mit Menschen aus Europa, die im Buddhismus eine Quelle der Seelenruhe gefunden haben oder dadurch, dass sie z.B. die tibetischen Schulen im Exil mit Patenschaften unterstützen, sich in ihrem Leben bereichert fühlen.

Der Film hat es auf eine sehr besondere Weise geschafft, meine Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken und neue Aspekte davon anzusprechen, denn es ging darum um Menschen meiner Generation. Es war sehr interessant zu sehen, wie ihre grundsätzliche Lebenseinstellung und ihre Sicht auf Identität und Kultur sich von unserer im Westen unterscheidet, und regte auch an, über die Situation bei uns nachzudenken. Ob schockierend oder berührend, vollkommen kalt können einen diese fünfzig Minuten ganz sicher nicht lassen.

 

Marlene Fößl

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Ein Klassiker zum Leben erweckt: Martin Schwab liest aus Thomas Manns „Buddenbrooks“

Tag zwei als Jugendredakteurin bei den Festwochen – endlich bekam ich einmal das „Hauptquartier“, das Festwochenbüro im Stadttheater Gmunden, zu sehen, und konnte einen ersten Eindruck vom Kulturbetrieb gewinnen! Trotz Zeitdrucks, Platzmangels und sommerlicher Hitze waren alle Mitarbeiter äußerst freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit, sodass ich mich auf Anhieb sehr wohl fühlte.

Nachdem ich mit meiner Kollegin Johanna Interviewfragen für den am selben Abend auftretenden Martin Schwab ausgearbeitet hatte, durften wir uns an das Konzept für die geplante Radiosendung der Jugendredakteure auf Freies Radio Salzkammergut machen. Wir hatten beide noch keine Erfahrungen mit Radiosendungen, ich habe mich aber sehr gefreut, so eine Gelegenheit zu bekommen!

Nach einer kurzen Pause war es dann schon Zeit für die abendliche Veranstaltung, eine Lesung, und wir suchten uns freie Plätze in einer der Logen.

 

Schon beim Auftritt der beiden Künstler Martin Schwab und Doris Lindner wurde klar, dass der Schauspieler und die Pianistin wunderbar miteinander harmonierten. Sich an der Hand haltend, fegten sie auf die Bühne, um in den nächsten eineinhalb Stunden eine gelungene und abwechslungsreiche Mischung von Ausschnitten aus Thomas Manns „Buddenbrooks“ und Stücken von Edvard Grieg, Richard Wagner, Gabriel Fauré und Claude Debussy darzubieten.

Mit angenehmer Erzählstimme erweckte Martin Schwab den Klassiker, das teils autobiographische Familienepos „Buddenbrooks“, zum Leben und zeigte, dass es trotz der über hundert Jahre seit seiner Erscheinung noch längst nicht verstaubt war. Besonders bei den direkten Reden und Dialogen war seine Vitalität zu spüren, und, wie er uns später im Gespräch verriet, seien das für ihn als Schauspieler auch seine Lieblingsstellen.

Sowohl die Textausschnitte als auch die Klavierstücke waren hervorragend ausgewählt und ergänzten sich perfekt. Die Musik griff die Stimmung der gelesenen Passagen auf und verlieh ihnen zusätzlich zu Martin Schwabs fesselndem Vortrag noch mehr Atmosphäre und Lebendigkeit.

Thomas Manns Stil ist voller Detailgenauigkeit, außerordentlichem Realismus und zeugt von einer Menschenkenntnis, die umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass er den Roman als gerade mal 25-jähriger verfasst hat. Manche lange Passagen wirken, als würde er abschweifen, aber seine detailreichen, genauen Beschreibungen sind es schon für sich wert, gelesen bzw. gehört zu werden. Die Lesung machte mir Lust, den Roman selbst  zu lesen – und es wurde auch klar, dass Thomas Mann, wie auch Martin Schwab sagte, den Nobelpreis dafür zu Recht gewonnen hat.

Der renommierte Schauspieler, Ehrenmitglied des Wiener Burgtheaters und Preisträger des Franz Josef-Altenburg Preises der Salzkammergut Festwochen, Martin Schwab, erwies sich nach der Lesung als sehr sympathisch. Nachdem er eineinhalb Stunden auf der Bühne in der Sommerhitze und im Scheinwerferlicht geschwitzt hatte, stand er danach für ein Interview vor der Kamera und war dann sogar noch so freundlich, sich von uns, den Jugendredakteurinnen Johanna und mir, befragen zu lassen. Gut gelaunt erzählte er uns voller Freude von seinem Beruf als Schauspieler und konnte auch mit Anekdoten über einen seiner Urlaube am Traunsee aufwarten.  Kurze Zeit später tauchte er dann auch schon beim Empfang im Foyer des Festwochenbüros auf, um sich unter die Gäste zu mischen.

Sein fesselnder Vortrag und Doris Lindners gefühlvolles Klavierspiel verliehen dem Klassiker Leben und Atmosphäre, ließen mich gebannt zuhören und machten mir Lust auf alle 700 Seiten „Buddenbrooks“!

 

Marlene Fößl

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